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FKM-Richtlinie
Rechnerischer Festigkeitsnachweis von Maschinenbauteilen

Rechnerischer Festigkeitsnachweis von Maschinenbauteilen

FKM-Richtlinie

Die FKM-Richtlinie "Rechnerischer Festigkeitsnachweis von Maschinenbauteilen" ist eine vom VDMA Verlag veröffentlichte Richtlinie, die ein allgemeines Verfahren zum Nachweis der Festigkeit von Bauteilen im Maschinenbau beschreibt.

Die FKM-Richtlinie wurde erstmals 1994 veröffentlicht. Sie entstand im Arbeitskreis Bauteilfestigkeit des Forschungskuratoriums Maschinenbau (FKM). Das FKM fungiert dabei als Dachverband innerhalb des VDMA und als Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF).

Teile der FKM-Richtlinie haben ihren Ursprung in Regelwerken, Werkstoffblättern und Standards der ehemaligen DDR, welche am Institut für Leichtbau und ökonomische Verwendung von Werkstoffen (IfL) in Dresden entstanden. Diese Grundlagen sind später in zahlreichen TGL-Standards (Technische Güte- und Lieferbedingungen) veröffentlicht worden. Weitere Grundlagen der FKM-Richtlinie sind z. B. die VDI 2226 (Empfehlung für die Festigkeitsberechnung metallischer Bauteile, 1965-1988), DIN 18800, Eurocode 3 (beide Bemessung von Stahlbauten) und die IIW-Empfehlungen (Schweißnähte).

Die FKM-Richtlinie wird auf Basis von AiF-geförderten Forschungsprojekten, die im Fachkreis von den Industrievertretern angeregt werden, regelmäßig weiterentwickelt. Derzeit liegt sie in der 7. Auflage von 2020 vor.

Die FKM-Richtlinie hat sich im ungeregelten Bereich zu einem Quasistandard entwickelt. Sie wird im deutschsprachigen Raum, mit über 5.800 verkauften Exemplaren (Stand 31.12.2019), von zahlreichen Firmen angewendet. Eine englischsprachige Übersetzung liegt mit über 800 verkauften Exemplaren vor und hält zunehmend Einzug in den Benelux- und skandinavischen Staaten. Aufgrund der Verkaufszahlen der Richtlinie kann von mehreren tausend Anwendern ausgegangen werden. Dabei konzentriert sich die Anzahl der Anwender auf die DACH-Staaten. Im Ausland ist die englische Übersetzung der Richtlinie vor allem bei Tochterunternehmen deutschsprachiger Konzerne verbreitet.

Neben der FKM-Richtlinie "Rechnerischer Festigkeitsnachweis von Maschinenbauteilen" gibt es die FKM-Richtlinie Nichtlinear "Rechnerischer Festigkeitsnachweis unter expliziter Erfassung nichtlinearen Werkstoffverformungsverhaltens", die FKM-Richtlinie "Bruchmechanischer Festigkeitsnachweis" sowie die FKM-Richtlinie „Rechnerischer Festigkeitsnachweis für Federn und Federelemente“.

Hinweise und Anforderungen

Für die Anwendung der FKM-Richtlinie "Rechnerischer Festigkeitsnachweis von Maschinenbauteilen" gelten folgende Hinweise und Anforderungen:

  • ist im Maschinenbau und in verwandten Bereichen der Industrie anwendbar
  • Festigkeitsnachweis für stab-, flächen- oder volumenförmige Bauteile
  • gilt für Stahl, auch für nichtrostenden, bei Bauteiltemperaturen von −40 °C bis 500 °C, gilt für Eisengusswerkstoff bei Bauteiltemperaturen von −25 °C bis 500 °C, gilt für Aluminiumwerkstoff bei Bauteiltemperaturen von −25 °C bis 200 °C, gilt für geschweißte und ungeschweißte Bauteile
  • erlaubt die Bewertung von Nennspannungen wie auch örtlichen, linear elastisch bestimmten Spannungen
  • der Versagensort liegt an der Oberfläche (Ausnahme randschichtverfestigte Bauteile)
  • das Bauteil ist an der Oberfläche nicht (2-achsiger Spannungszustand) oder hydrostatisch belastet (3-achsiger Spannungszustand, keine Schubübertragung in der Oberfläche)
  • bei zyklischer Beanspruchung ist die Anzahl der Belastungszyklen größer 10.000
  • die maximale Werkstofffestigkeit ist kleiner 1.200 MPa
  • die zyklische Auslegung erfolgt auf Bruch
  • die Bauteile werden in einem nichtkorrosiven Medium eingesetzt
  • Stabilitätsprobleme werden in der Richtlinie nicht behandelt

Die Richtlinie umfasst einen statischen und einen Ermüdungsfestigkeitsnachweis; letzteren je nach Beanspruchungscharakteristik als Dauer-, Zeit- oder Betriebsfestigkeitsnachweis.

Für Bauteile, die nur statisch belastet werden, ist der statische Nachweis ausreichend. Für Bauteile, die zyklisch belastet werden, müssen der statische und der Ermüdungsfestigkeitsnachweis erfüllt werden.

Im geregelten Bereich werden häufige Lastfälle, wie z. B. Druck, Temperatur, Eigengewicht (ASME-Nachweis Druckbehälter) oder Wind, Schneelasten, Erdbeben (Eurocode 3), als zu bemessende Lastfälle definiert. In der FKM-Richtlinie ist es dem Anwender überlassen, die Lasten korrekt und sicher festzulegen. Genauso gibt es keine Vorgaben, wie die Spannungen zu ermitteln sind.

Die Richtlinie bietet zwei Nachweiskonzepte an: den Nachweis mit Nennspannungen und den Nachweis mit örtlichen Spannungen. Mit beiden Konzepten kann ein statischer Festigkeitsnachweis und ein Ermüdungsnachweis erstellt werden.

Beide Nachweise basieren auf einer elastizitätstheoretischen Bestimmung der Spannungen unter Nutzung von linear elastischen Materialmodellen, d. h. die inneren Beanspruchungen und die äußeren Belastungen sind einander proportional. Für den statischen Nachweis wird die v. Mises-Spannung herangezogen. Der zyklische Nachweis erfolgt gegen Haupt- oder Koordinatenspannungen im Nachweispunkt.

Der Nachweis mit örtlichen Spannungen hat den Vorteil, dass er für alle Bauteile geeignet ist und nicht nur für stab- und einfache flächenförmige Bauteile, an denen ein Bezugsquerschnitt und damit eine Nennspannung definiert werden kann. Die örtlichen Spannungen werden dabei in der Praxis mit Hilfe der Finiten-Elemente- Methode mit linear elastischem Materialverhalten ermittelt.

Nachweis

Beim Nachweis wird verglichen, ob die zulässige örtliche Beanspruchung größer als die vorhandene örtliche Beanspruchung ist. Dabei werden die zulässigen Beanspruchungen aus den ertragbaren Beanspruchungen reduziert mit einem Sicherheitsfaktor errechnet.

Bei der FKM-Richtlinie wird der Nachweis mit Hilfe eines Auslastungsgrades a formuliert. Dabei wird die örtliche Beanspruchung ins Verhältnis zur zulässigen Beanspruchung gesetzt. Um den Nachweis erfolgreich zu führen, muss der Auslastungsgrad a kleiner 1 sein. Der Vorteil dieser Formulierung ist, dass der Anwender sofort sieht, um wie viel er die Last steigern kann oder reduzieren muss, um den Nachweis führen zu können.

Auch der Zeit- und Betriebsfestigkeitsnachweis werden mit einem Auslastungsgrad in „Lastrichtung“ formuliert und nicht in „Zeitrichtung“. Dabei wird das Beanspruchungskollektiv in Lastrichtung so angehoben oder abgesenkt, bis die rechnerische Lebensdauer gerade der geforderten Lebensdauer entspricht. Der Multiplikator (Teiler) für das Anheben (Absenken) entspricht dem Auslastungsgrad.

Lastseite

Bei statischen Betriebslastfällen oder Sonderlastfällen wird gegen den Größtwert bemessen. Die Lastfallbildung aus Kombinationen und Einflussfaktoren, wie man sie z. B. vom Eurocode 3 kennt, ist nicht Gegenstand des statischen Nachweises der FKM-Richtlinie. Der Anwender hat die maximale Last mit ausreichender Sicherheit anzugeben.

Wechselnde Betriebslasten sind mit einer Rainflowzählung aufzubereiten. Hierbei sind Mittelwert, Amplitude und Häufigkeit zu ermitteln. Mit Hilfe der Mittelspannungsempfindlichkeit des betrachteten Werkstoffes werden die Ergebnisse der Rainflowzählung in ein schädigungsäquivalentes Lastkollektiv mit einheitlichen Spannungsverhältnissen, z. B. Mittelspannung gleich Null, umgerechnet. Der Nachweis erfolgt dann auf Basis eines solchen Lastkollektivs.

Materialseite

Für den statischen Festigkeitsnachweis ist die statische Bauteilfestigkeit zu bestimmen, die vom Bauteil-Normwert der Fließgrenze und der plastischen Stützzahl abhängt. Die Bauteil-Normwerte können beispielsweise aus Werkstoff-Normwerten berechnet werden. Hierbei kommen technologische Größenfaktoren zum Einsatz, die die mit zunehmender Bauteilgröße im Allgemeinen abnehmende Bauteilfestigkeit berücksichtigen. Durch die Verwendung der plastische Stützzahl, die auf Basis der Bauteil-Normwerte berechnet wird, soll die Plastifizierung des Bauteils in gewissen Grenzen zugelassen werden.

Beim Ermüdungsfestigkeitsnachweis wird die Lebensdauer mit einer rechnerisch abgeschätzten Wöhlerlinie ermittelt. Die Abschätzung der Wöhlerlinie basiert wiederum für die Anwendbarkeit recht einfach auf der Zugfestigkeit und der Fließgrenze aus einer Normangabe oder aus Messwerten des Anwenders.

Diese Größen werden auf örtliche Bauteilgrößen umgerechnet. Dabei werden Größeneffekte, Oberflächenzustand (Rauigkeit, Verfestigung), Stützwirkung und Größe des beanspruchten Volumens berücksichtigt.

So wird die Dauerfestigkeit des Werkstoffes einer Werkstoffprobe auf die Dauerfestigkeit des Werkstoffes im Bauteil überführt. Die so abgeschätzte Dauerfestigkeit ist die Basis für die Konstruktion einer Wöhlerlinie.

Sicherheitskonzept

Der Festigkeitsnachweis stellt sicher, dass ein Bauteil der vorgegebenen Belastung nicht nur im Durchschnitt standhält, sondern dass es mit einer gewissen Sicherheit nicht versagt. Mittels der Verwendung von verschiedenen Sicherheitsfaktoren, die über einen Material(sicherheits)faktor berücksichtigt werden, wird der Unsicherheit, was die Streuung von Werkstoffkennwerten betrifft, Rechnung getragen. Unsichere Lastannahmen können über einen Last(sicherheits)faktor einberechnet werden. Material- und Last(sicherheits)faktor gehen letztendlich sowohl beim statischen Festigkeitsnachweis als auch beim Ermüdungsfestigkeitsnachweis in einen Gesamtsicherheitsfaktor ein.

Beim statischen Festigkeitsnachweis definiert die FKM-Richtlinie vier Grundsicherheitsfaktoren, die den Nachweisen gegen Bruch und Fließen jeweils bei normaler (bzw. nur kurzzeitig hoher Temperatur) oder aber langzeitig hoher Temperatur zugeordnet sind. Die FKM-Richtlinie unterscheidet bei der Höhe der Grundsicherheitsfaktoren zwischen den Folgen, die das Versagen eines Bauteils hat. Während beim Verlust menschlichen Lebens von einer hohe Schadensfolgen gesprochen wird, wird beispielsweise der Verlust sekundärer Bauteile als niedrige Schadensfolge eingestuft. Ein weiterer Faktor – der Gussfaktor – kommt im Fall von Gussbauteilen aufgrund „unvermeidlicher, aber zulässiger Fehler in Gussstücken“ zum Einsatz, bei nichtduktilen Gussbauteilen mit geringer Bruchdehnung zusätzlich ein Teilsicherheitssummand. Alle Grundsicherheitsfaktoren, der Gussfaktor und der Teilsicherheitssummand gehen in den Materialfaktor ein.

Beim Ermüdungsfestigkeitsnachweis hängt der Materialsicherheitsfaktor neben den Schadensfolgen auch davon ab, ob das Bauteil einer regelmäßigen Inspektion unterzogen wird oder nicht. Im Fall von Gussbauteilen oder höheren Temperaturen kommen auch hier weiterer Faktoren hinzu.

Auslastungsgrad

Am Ende des statischen Festigkeitsnachweises und des Ermüdungsfestigkeitsnachweises steht als Ergebnis jeweils der Auslastungsgrad a, der zur Erbringung eines jeden Nachweises kleiner gleich 1 sein muss.

Beim statischen Festigkeitsnachweis ist der Auslastungsgrad der Quotient aus der Vergleichsspannung im Nachweispunkt und der statisch zulässigen Spannung. Bei letzterer handelt es sich um die durch den Gesamtsicherheitsfaktor dividierte ertragbare Spannung.

Die Einzelauslastungsgrade, die beim Ermüdungsfestigkeitsnachweis zunächst berechnet werden, sind die Quotienten aus den im Nachweispunkt vorliegenden Amplituden der einzelnen Spannungskomponenten

und der zulässigen Amplitude der Bauteilfestigkeit. Zur Bestimmung der zulässigen Amplitude der Bauteilfestigkeit wird die ertragbare Amplitude der Bauteilfestigkeit durch den Gesamtsicherheitsfaktor dividiert. Dass zwischen den Nachweisen der Betriebs-, Zeit- und Dauerfestigkeit zu unterscheiden ist, wird bereits bei der Berechnung der Bauteilfestigkeit im sogenannten Betriebsfestigkeitsfaktor KBK

berücksichtigt. Wirken im Nachweispunkt mehrere Spannungen zusammen, wird aus den Einzelauslastungsgraden mittels einer Interaktionsgleichung ein zyklischer Auslastungsgrad für zusammengesetzte Spannungskomponenten ermittelt.

Zusammenfassung

Der Reiz der FKM-Richtlinie liegt in ihrer Durchgängigkeit vom Nennspannungs- bis zum örtlichen Nachweis, vom statischen bis zum zyklischen Nachweis und vom Nachweis des Grundmaterials bis zum Schweißnahtnachweis. Die Nachweise sind nicht auf bestimmte Bauteile beschränkt und in vielen ungeregelten Bereichen anwendbar. Durch die Ermittlung der örtlichen Beanspruchbarkeiten aus wenigen Normkennwerten ist der Nachweis für viele Klein- und Mittelständische Unternehmen und beratende Ingenieure, die über keine Prüfeinrichtungen und Werkstofflabore verfügen, einsetzbar. Dies hat erheblich zur Verbreitung der Richtlinie beigetragen.

Sollten Sie Fragen oder Ergänzungen zum hier vorgestellten Thema, oder gar einen Anwendungsfall für einen Festigkeitsnachweis nach der FKM-Richtlinie haben, freuen wir uns über Ihre Kontaktaufnahme.