ihf unterstützt mit ihren Berechnungsdienstleistungen und der eigenen Software für den vollflächigen FKM-Nachweis die Verwirklichung der weltweit leitungsstärksten Gezeitenturbine für erneuerbaren Strom, gebaut von Orbital Marine Power in Schottland. In Zusammenarbeit mit unserem Kunden SKF, dem technischen Partner und Lieferanten des kompletten vollintegrierten Antriebsstrangs der Gezeitenturbine, untersuchte ihf die Auslegung des Gondelgehäuses (Nacelle).
SKF ist ein weltweit aufgestellter Wälzlagerhersteller mit Produkten und Dienstleistungen rund um die rotierende Welle (Wälzlager, Dichtungen, Schmierung, künstliche Intelligenz und drahtlose Zustandsüberwachung). Orbital Marine Power Ltd. ist ein innovatives schottisches Ingenieurunternehmen, welches die Gezeitenturbine Orbital 02 im Hauptgezeitenstrom vor der schottischen Nordküste - dem sogenannten „Saudi-Arabien der Gezeitenenergie“ - im Wasser verankert hat. Mit dieser Turbine können 2.000 Haushalte mit Meeresenergie versorgt werden.
Der Rumpf des schwimmenden Gezeitenkraftwerks ist 72 m lang und fest in Strömungsrichtung verankert. Am Ende seiner beiden einschwenkbaren Beinstrukturen trägt er jeweils einen 1-MW Antriebsstrang. Die fließende Gezeitenenergie wird aus 600m² überstrichener Fläche der 10 m langen Rotorblätter in den Gondeln eingefangen. Der saubere, berechenbare Strom fließt durch ein Seekabel zum Meeresboden und wird von dort mit einem statischen Kabel an Land transportiert. Die beiden Rotoren verfügen über eine 180°-Blattverstellung. Durch diese Lösung von SKF wird die Leistungsaufnahme aus beiden Richtungen der Gezeitenströmung ermöglicht. Mit der verwendeten dynamischen Pitch-Regelung, lässt sich der Anstellwinkel der Rotorblätter so verändern, dass die Leistungsaufnahme geregelt und begrenzt werden kann. So lassen sich die aufgenommen Lasten besser verteilen und eine um ca. 50 % höhere Ausbeute erwirtschaften .
Für die Gondelgehäuse, die das Getriebe und den Generator beherbergen, führte ihf im Rahmen eines entwicklungsbegleitenden Projektes den notwendigen Ermüdungsfestigkeitsnachweis durch. Der Nachweis des Grundmaterials und der Schweißnähte wurde nach der FKM-Richtlinie auf Basis einer Finite-Elemente-Simulation durchgeführt. Dabei wurden das Gondelgehäuse, seine Schweißnähte und die Versteifungen so optimiert, dass im Rahmen des Zielgewichtes der Nachweis für 25 Jahre Lebensdauer möglich wurde.
Statische Lasten sind die 60 t Gondelgewicht in 27 m Wassertiefe. Für die Kräfte und Momente aus dem Gezeitenstrom zu verschiedenen Jahreszeiten und für verschiedene Windkonstellationen lagen Last-Zeit-Reihen mit 8,7 Mio. Lastschritten für einen Gezeitenzyklus vor, der sich über ein Jahr erstreckt. Mit Hilfe der Rainflow-Zählung und einer Klassierung wurden Lastkollektive für die Simulation auf Basis einer Betriebsdauer von 25 Jahren erstellt.
Die lokalen Spannungen wurden in einer linearen, statischen Finite-Elemente-Analyse ermittelt. Die Schweißnähte wurden nach dem Strukturspannungskonzept (Hot-Spot) bewertet. Dabei wurden die entsprechenden FAT-Klassen den einzelnen Schweißnähten zugeordnet. Bei kritischen Schweißnähten erfolgte zusätzlich ein Nachweis der Schweißnahtwurzel nach dem Kerbspannungsverfahren (notch stress assessment, R1MS).
Der Nachweis erfolgte nach der FKM-Richtlinie. Ein Vergleich mit den Regelungen der DNVGL wurde durchgeführt.
Das Ergebnis der Simulationen durch ihf ist eine festigkeitsoptimierte Geometrie der Gondel mit einem besonderen Augenmerkt auf die Ermüdungsbeurteilung der Schweißnähte. Bezüglich der Schweißnähte konnte eine fertigungsgerechte und kostenoptimierte Ausführung erzielt werden.
Wegen der geringen Installations- und Betriebskosten hat diese Art von schwimmenden Turbinen ein enormes Potenzial im Segment der Gezeitenströmungsanlagen. Die Firma ihf freut sich, ihre Erfahrungen für die sichere, betriebsfeste Auslegung bei der Entwicklung einer Schlüsseltechnologie einbringen zu können.
ihf, selbst ein klimaneutrales Unternehmen, hat nach eigener Firmenphilosophie großes Bestreben, solche Energielösungsprojekte zur Dekarbonisierung mit ihrem Know-How zu unterstützen.