Zu Beginn einer dynamischen Struktursimulation werden zunächst die Bewegungsgleichungen eines Systems aufgestellt. Durch Umstellung der Gleichungen können die Verschiebungen u(t) im System ermittelt werden. Im nebenstehenden ist das Aufstellen einer Bewegungsgleichung beispielhaft an einem Einmassenschwinger gezeigt:
Da Bewegungsgleichungen immer Funktionen der Zeit sind, wird eine zeitliche Diskretisierung (d.h. eine Unterteilung in kleine Zeitschritte) notwendig. Für lineare und nichtlineare Systeme kann hierbei die numerische Integration als Lösungsverfahren angewendet werden. Dabei wird eine eigentlich kontinuierliche Zeitfunktion durch ihre Funktionswerte zu definierten Zeiten erfasst. Die Integrationsverfahren können in implizite und explizite Ansätze unterteilt werden. In allen Verfahren werden dabei Näherungen für die Verschiebungen, Geschwindigkeiten und Beschleunigungen angesetzt, denen unterschiedliche Annahmen zugrunde liegen. Einsetzen der Größen und Auflösen der Bewegungsgleichung liefert dann jeweils die Verschiebung zum nächsten Zeitpunkt.
Das implizite Rechenverfahren wird vornehmlich für statische und quasistatische Problemstellungen verwendet, d.h. für Aufgaben in denen Trägheitskräfte entweder unbedeutend, oder nicht vorhanden sind. Problemstellungen also, in denen die Summe der Kräfte gleich (z.B. Statik) oder annähernd Null (z.B. Umformprozesse) sind.
Das explizite Rechenverfahren wird vornehmlich für quasistatische und dynamische Problemstellungen verwendet, bei denen Trägheitskräfte also entweder entscheidend sind (z.B. Stoßvorgänge) oder nicht relevant (z.B. Massivumformung).
Bei der impliziten Zeitintegration werden die Bewegungsgleichungen für ein System zum zu berechnenden Zeitpunkt tn+1 aufgestellt. Um die Verschiebungen für diesen Zeitpunkt zu ermitteln muss die Steifigkeitsmatrix invertiert werden. Man erhält ein gekoppeltes Gleichungssystem in der Größe der Anzahl der im Modell befindlichen Freiheitsgrade, welches anschließend von einem Solver gelöst werden muss. Wenn das System nichtlinear ist muss die Lösung für einen Zeitschritt zudem iterativ erfolgen.
Ein mittelgroßes FE-Modell aus Volumenelementen (3 Freiheitsgrade pro Knoten) mit 1.000.000 Knoten bewirkt vereinfacht gesagt ein Gleichungssystem mit 3.000.000 Gleichungen und ebenso vielen Unbekannten. Die Invertierung und Lösung solcher Gleichungssysteme stellt während des Lösungsvorgangs hohe Anforderungen an den Arbeitsspeicher.
Der Vorteil ist, dass solche Integrationsverfahren immer stabil sind (nicht zu verwechseln mit konvergent), unabhängig von der Größe des verwendeten Zeitschrittes. In der Praxis muss die Zeitschrittweite den gewünschten Ergebnissen angepasst werden. Die Stabilität impliziter Verfahren ist auch unabhängig von der Kantenlänge der im Modell verwendeten Elemente. Dies ermöglicht zum Beispiel das sehr feine Auflösen struktureller Details zur genauen Analyse dort auftretender Spannungen, z.B. in kleinen Radien, Freistichen, etc..
Ein Nachteil der impliziten Methode ist, dass im Fall vorhandener Nichtlinearitäten (Kontakt, Plastizität, etc.), der Zeitschritt klein genug sein muss, um Konvergenz zu erhalten, was oftmals ein gewisses Fingerspitzengefühl zur Vermeidung von Konvergenzproblemen erfordert.
Bei der expliziten Zeitintegration werden die Bewegungsgleichungen für ein System zum aktuellen Zeitpunkt tn aufgestellt, von dem aus dann auf den nächsten Zeitpunkt tn+1 extrapoliert wird. Für die Umstellung der Bewegungsgleichungen bedeutet das, dass die Steifigkeitsmatrix hier nicht invertiert werden muss, weil sie auf der rechten Seite mit den bekannten Größen steht. Zudem spart man sich das Invertieren der Dämpfungsmatrix und der Massenmatrix, wenn man hier Ansätze mit nur auf der Hauptdiagonalen besetzten Matrizen nutzt (z.B. Rayleigh). Das Gleichungssystem hat zwar dieselbe Größe, wie beim impliziten Verfahren, aber die Lösung des Systems ist nacheinander Freiheitsgrad für Freiheitsgrad möglich, so dass keine großen Anforderungen an den Arbeitsspeicher gestellt werden.
Das explizite Rechenverfahren ist allerdings nur dann stabil, wenn die Zeitschrittweite kleiner ist, als der sogenannte kritische Zeitschritt, welcher sich an der höchsten Eigenfrequenz im System orientiert. In der Praxis gehen in die Berechnung dieses kritischen Zeitschrittes eines Elementes dessen E-Modul, dessen kleinste Elementkantenlänge, dessen Dichte und ggf. dessen Querkontraktionszahl ein. Der für eine Simulation anzusetzende Zeitschritt wird also vereinfacht gesagt von der kleinsten im Modell befindlichen Elementkantenlänge gesteuert. Eine sehr feine Auflösung kleiner Details, wie im impliziten problemlos möglich, würde im expliziten zu extremen Rechenzeiten führen. Typische Elementkantenlängen liegen bei der expliziten Simulation zwischen 1 mm und 4 mm bei typischen Simulationszeiträumen zwischen 1 ms und 200 ms.
Der Vorteil bei Verwendung der expliziten Methode ist, dass Kontaktdefinitionen und starke Nichtlinearitäten durch die ohnehin geringe Zeitschrittweite problemlos abbildbar sind. Im Gegensatz zur impliziten Vorgehensweise mit sehr präziser Vorgabe von Kontaktbereichen, werden im expliziten üblicherweise ganze Baugruppen definiert, innerhalb derer dann alle Knoten auf ein Eindringen in alle Segmente geprüft werden.
Je nach Problemstellung und Relevanz der Trägheitseffekte bieten sich entweder das explizite, das implizite oder beide Rechenverfahren für die Lösung von Aufgaben an. Durch die langjährige Erfahrung bei ihf auf beiden Gebieten, stehen wir Ihnen bei Fragen zu dieser Thematik gerne beratend zur Seite.