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Blog-Beiträge FEM
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Blog-Beiträge FEM

FEM-Analyse: Wie geht das?

Wie wird eine Finite-Elemente-Analyse durchgeführt?

1. Problemdefinition und Modellierung

1.1. Klärung der physikalischen Problemstellung und Zielsetzung:
Zu Beginn wird die physikalische Fragestellung präzise formuliert, um klare Simulationsziele zu setzen. Es gilt zu entscheiden, ob das Problem statisch oder dynamisch ist (hört sich trivial an, ist es nicht immer, statische Ersatzlast, …), welche physikalischen Phänomene berücksichtigt werden müssen (Resonanz, Dämpfung, Reibung, …), ob große oder kleine Verformungen vorliegen (geometrische Nichtlinearität) und welches Materialverhalten zu berücksichtigen ist (elastisch, elastisch-ideal plastisch, Verfestigung, …). Zudem ist zu klären, wie die Zielerreichung überprüft wird: Kundenvorgaben, Nachweis nach Norm oder Richtlinie. Hieraus ergeben sich i. A. Anforderungen an das Simulationsmodell.

1.2. Auswahl des geeigneten FEM-Ansatzes:
Der FEM-Ansatz wird auf Basis der Problemstellung ausgewählt. Mögliche Ansätze sind lineare oder nichtlineare Statik, dynamische Analysen, stochastische Analysen, Wärmeübertragung und Wärmeleitung, elektromagnetische Analysen oder gekoppelte multiphysikalische Analysen.

1.3. Erfassung der Geometrie des Modells:
Die Geometrie wird meist aus CAD-Daten importiert und auf CAD-Seite oder in der FEM-Software vereinfacht. Hierzu gehören das Entfernen von Schriftzügen, Kennzeichnungen und nicht relevanten Geometrie-Features. Es ist wichtig, die Geometrie so zu gestalten, dass sie die realen Bedingungen mit der gewünschten Genauigkeit widerspiegeln kann.

1.4. Bestimmung der relevanten physikalischen Eigenschaften:
Es sind die für die Simulation notwendigen Materialdaten zu identifizieren. Hierbei ist zu unterscheiden welche Daten für die Simulation (Aufbau der Steifigkeits-, Massen- und Dämpfungsmatrix (in der Strukturdynamik)) notwendig sind und welche für die Bewertung (gfs. Festigkeit, Streckgrenze, zyklische Festigkeitskennwerte).

1.5. Definition der Randbedingungen:
Verschiebungen an Lagerstellen, aufgebrachte Kräfte, Drücke oder Temperaturen, Wärmequellen, Ströme werden definiert. Diese starken und schwachen Randbedingungen sind notwendig, da die zu untersuchenden Strukturen in der Regel für die Simulation aus ihrer Umgebung herausgelöst werden. Die Wahl der geeigneten Randbedingungen hat einen erheblichen Einfluss auf die Simulationsergebnisse. Ggfs. sind Variationsrechnungen durchzuführen, um den Einfluss „unsichererer“ Randbedingungsannahmen auf das Ergebnis quantifizieren zu können.

1.6. Erstellung eines ersten Entwurfs des Modells:
Ein erster Entwurf des Modells wird auf Basis der gesammelten Daten erstellt. Dies dient als Grundlage für die spätere Netzgenerierung und Analyse.

1.7. Berücksichtigung von Symmetrien:
Symmetrien im Modell, den Randbedingungen und der zu erwartenden Lösung können genutzt werden, um die Berechnung zu vereinfachen und die Rechenzeit zu verkürzen. Hierbei muss beachtet werden, dass Symmetriebedingungen nicht Eigenmoden oder Beulformen „unterdrücken“.

1.8. Überprüfung der Modellkomplexität:
Die Komplexität des Modells muss im Hinblick auf die erforderliche Detailgenauigkeit überprüft werden. Ein zu komplexes Modell kann zu langen Rechenzeiten führen, während ein zu einfaches Modell ungenaue Ergebnisse liefern kann.

1.9. Dokumentation der Annahmen und Eingangsgrößen:
Alle Annahmen und Eingangsgrößen in die Simulation werden dokumentiert, um Transparenz zu gewährleisten und die Nachvollziehbarkeit der Simulation zu sichern. Dies ist wichtig für zukünftige Analysen oder Validierungen.

1.10. Validierung des Modells:
Das Modell wird durch den Vergleich mit Erfahrungswerten (Wissen) oder analytischen oder experimentellen Ergebnissen validiert. Dies hilft, mögliche Fehler in der Modellierung frühzeitig zu erkennen und zu beheben.

2. Diskretisierung (Netzerstellung)

2.1. Aufteilung des Modells in Teilgebiete (Finite Elemente):
Das Modell wird in kleine, endliche Elemente unterteilt, um die Differentialgleichungen, die sich aus der physikalischen Aufgabenstellung ergeben, lösen zu können. Jedes Element wird durch seinen Verschiebungsansatz und durch die begrenzenden Knoten und deren Verbindungen beschrieben.

2.2. Wahl des richtigen Elementtyps:
Der geeignete Elementtyp, wie z.B. 2D-Dreiecke oder 3D-Tetraeder, wird basierend auf der Geometrie, der Aufgabenstellung und der Ergebnisgüte ausgewählt. Verschiedene Elemente bieten unterschiedliche Genauigkeiten und Rechenaufwände.

2.3. Festlegung der Netzgröße und Dichte:
Die Netzgröße und Dichte werden so bestimmt, dass kritische Bereiche ausreichend fein diskretisiert werden, während das gesamte Modell rechnerisch effizient bleibt. Zu grobe Netze können zu ungenauen Ergebnissen und bei nichtlinearen Simulationen zu Konvergenzproblemen führen.

2.4. Durchführung einer Netzverfeinerung:
In Bereichen mit hohen Gradienten der abgeleitenden Ergebnisgröße – in der Strukturmechanik der Spannung - oder in Bereichen von besonderen Interessen wird eine Netzverfeinerung durchgeführt. Diese Maßnahme verbessert die lokale Genauigkeit der Ergebnisse. Ggfs. ist hierbei eine Konvergenzstudie durchzuführen.

2.5. Überprüfung der Elementqualität:
Die Qualität des Netzes wird überprüft, um sicherzustellen, dass Elemente keine extremen Verzerrungen oder schlechte Form haben. Dies verhindert numerische Instabilitäten während der Berechnung und sichert eine gute Ergebnisqualität. Hierbei müssen unterschiedliche Anforderungen aus den verschiedenen physikalischen Gebieten beachtet werden: die Strukturmechanik verzeiht eher mal ein schlechtes Element in einem uninteressanten Bereich, als die Crash-Simulation, bei der ein einzelnes Element die Stabilität des Rechenlaufes bestimmt, ähnliches gilt für die Strömungssimulation.

2.6. Automatische Netzgenerierung:
Bis Mitte der 80ziger Jahre wurden Netze noch häufig händisch durch das Eingeben von Koordinaten einzelner Knoten oder von Anfangs- und Endknoten von Knotengruppen erzeugt. Eine visuelle Kontrolle des Netzes war aus heutiger Sicht nur extrem eingeschränkt oder mit einem zeitlichen Abstand (Ausdruck, Plot am nächsten Tag) möglich. Netze werden heute in der industriellen Anwendung automatisch generiert. Der Anwender kann sich auf die Vorgabe von Netzeinstellungen (Dichte, Bias, Vergröberungs-, Verfeinerungsgrad, Defeaturing) beschränken. Trotzdem sind für komplizierte Bauteile oder anspruchsvoll Aufgabenstellungen Strategien zur Netzerstellung und -verfeinerung notwendig.

2.7. Analyse der Netzempfindlichkeit:
Die Empfindlichkeit der Ergebnisse gegenüber Änderungen in der Netzgröße wird analysiert, um die Konvergenz der Ergebnisse zu überprüfen. Dies stellt sicher, dass die Ergebnisse unabhängig von der Netzgröße stabil sind.

2.8. Dokumentation der Netzparameter:
Alle Netzparameter und -einstellungen werden dokumentiert, um die Reproduzierbarkeit der Simulation zu gewährleisten. Dies ist wichtig für zukünftige Vergleiche oder Validierungen.

3. Lösung des Gleichungssytems

3.1. Auswahl des geeigneten Lösungsverfahrens:
Das passende Lösungsverfahren wird ausgewählt, basierend auf der Art des physikalischen Problemstellung (statisch, dynamisch, linear, nichtlinear, …). Verschiedene Verfahren haben unterschiedliche Vorteile in Bezug auf Genauigkeit und Rechenaufwand. Je nach Lizenzierung und Hardware wird eine dem Lösungsaufwand angemessene Anzahl an CPU-Cores für die Gleichungslösung gewählt.

3.2. Eingabe der Randbedingungen und Lasten:
Alle definierten Randbedingungen und Lasten werden in das FEM-Programm eingegeben und müssen gewissenhaft überprüft werden. Dies ist entscheidend für die korrekte Simulation des physikalischen Verhaltens des Modells.

3.3. Durchführung der Gleichungslösung:
Das FEM-Programm führt den Lösungsschritt durch, indem es die Gleichungen (z. B. in der linearen Strukturmechanik K*u=F) löst, um die primäre Lösungsgröße (z. B. die Verschiebungen u) zu bestimmen. Dies geschieht in der Regel durch direkte (Gauß-Algorithmus) oder iterative Verfahren. Sind zu dem bei nichtlinearen Aufgabenstellungen Gleichgewichtsiterationen notwendig wird z. B. das Newton-Raphson-Verfahren.

3.4. Überwachung der Rechenzeit und der Konvergenz:
Während der Lösung wird die Rechenzeit überwacht, um sicherzustellen, dass die Berechnung effizient ist. Die Konvergenz wird überprüft, um sicherzustellen, dass die Lösung stabil ist.

3.5. Identifikation möglicher Probleme:
Mögliche Probleme wie Divergenz oder nicht konvergierende Lösungen werden identifiziert und analysiert. Es werden Maßnahmen ergriffen, um diese Probleme zu beheben, wie z.B. Definition von Unterlastschritten (Substeps), Wahl eines alterativen Gleichungslösers, Wahl und Einstellung von Kontaktalgorithmen,  Änderungen an der Diskretisierung oder an den Randbedingungen.

3.6. Durchführung von Iterationen:
Wenn nötig, werden Iterationen durchgeführt, um die Lösungsgenauigkeit zu erhöhen.

3.7. Erstellung von Fehlermeldungen:
Sollten während der Berechnung Fehler auftreten, werden diese dokumentiert. Fehlermeldungen helfen, den Ursprung von Problemen zu identifizieren und Lösungen zu finden.

3.8. Dokumentation der Lösungseinstellungen:
Alle Lösungseinstellungen und -parameter werden dokumentiert, um die Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse sicherzustellen. Solche Informationen sind für zukünftige Simulationen von Bedeutung.

3.9. Sicherstellung der Reproduzierbarkeit:
Die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse wird durch die genaue Dokumentation aller Schritte sichergestellt. Dies ist entscheidend für die Validierung der Ergebnisse durch Dritte.

4. Ergebnisanalyse und Validierung

4.1. Visualisierung der Ergebnisse:
Die Ergebnisse werden visualisiert, um in der Strukturmechanik Spannungsverteilungen und Verformungen oder in der Strömungssimulation Drücke und Geschwindigkeiten darzustellen. Grafische Darstellungen und Animationen erleichtern das Verständnis der Ergebnisse und der kritischen Bereiche.

4.2. Interpretation der Resultate:
Die Ergebnisse werden im Kontext der ursprünglichen Problemstellung interpretiert. Es wird analysiert, ob die Simulation die Erwartungen erfüllt.

4.3. Analyse der Ergebnisse auf Plausibilität:
Die Ergebnisse werden auf Plausibilität überprüft. Abweichungen von den erwarteten Werten müssen interpretiert und möglicherweise korrigiert werden. Größenordnungen für Verschiebungen oder Spannungen und typischerweise Reaktionskräfte werden per Handrechnung überprüft oder mit experimentellen Ergebnissen oder Referenzlösungen verglichen. Abweichungen müssen untersucht und erklärt werden.

4.4. Identifikation kritischer Bereiche:
Kritische Bereiche, in denen maximale Spannungen oder Verformungen, Temperaturen oder Drücke etc. auftreten, werden identifiziert. Diese Informationen sind wichtig für die Beurteilung der Sicherheit und Funktionalität des untersuchten Systems.

4.5. Durchführung von Sensitivitätsanalysen und Validierungstests:
Sensitivitätsanalysen werden durchgeführt, um den Einfluss von Variationen in den Eingabedaten auf die Ergebnisse zu untersuchen. Dies hilft, die Robustheit des Modells zu bewerten. Validierungstests werden durchgeführt, um die Modellgenauigkeit zu überprüfen. Dies kann den Vergleich von Modellergebnissen mit analytischen Lösungen oder realen Tests umfassen.

4.6. Anpassung und Verfeinerung des Modells:
Bei Abweichungen müssen Anpassungen am Modell oder den Eingabewerten vorgenommen werden. Eine Verfeinerung des Modells kann notwendig sein, um die Genauigkeit zu erhöhen.

4.7. Diskussion der Ergebnisse:
Die Ergebnisse werden im Team oder mit Expert:innen diskutiert, um unterschiedliche Perspektiven und mögliche Verbesserungen zu berücksichtigen. Dies fördert den Wissensaustausch und die Qualität der Analyse. Es wird überprüft, ob die Ergebnisse konsistent und nachvollziehbar sind. Inkonsistenzen müssen identifiziert und geklärt werden, um das Vertrauen in die Ergebnisse zu stärken.

5. Dokumentation

5.1. Dokumentation der Ergebnisse:
Die Ergebnisse werden in Berichten aufbereitet, um die Erkenntnisse zu kommunizieren. Berichte enthalten die Aufgabestellung und das Ziel, die Eingangsgrößen und Quellen, Bilder, Grafiken und Tabellen der Ergebnisse und eine Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse. Eine umfassende Dokumentation stellt Transparenz und Nachvollziehbarkeit sicher. Dies ist wichtig für zukünftige Analysen und Validierungen.

5.2. Festlegung der Grenzen der Anwendung:
Die Grenzen der Anwendung der Simulationsergebnisse werden klar definiert. Dies hilft, Missverständnisse zu vermeiden und die Anwendung der Ergebnisse korrekt zu steuern.

5.3. Planung von Folgeuntersuchungen:
Basierend auf den Ergebnissen werden weitere Untersuchungen oder Optimierungen vorgeschlagen. Dies könnten geometrische Veränderungen an der Struktur, Materialänderungen, Änderungen von Eingangsdaten etc. sein, die die Durchführung zusätzlicher Simulationen umfassen. Die Vorschläge werden im Bericht dokumentiert.

5.4. Kommunikation der Ergebnisse:
Die Ergebnisse und die Validierung werden an die Auftraggeber oder Prozesseigner kommuniziert.

5.5. Erfassung von Feedback:
Feedback von Auftraggeber oder Prozesseigner wird eingeholt, um die Qualität zukünftiger Simulationen zu verbessern. Konstruktive Kritik ist wichtig für die Weiterentwicklung des Modells.

5.6. Archivierung der Projektdaten:
Alle Projektdaten, einschließlich Eingaben, Ergebnisse und Dokumentationen, werden archiviert. Dies ermöglicht eine einfache Wiederverwendbarkeit und Nachverfolgbarkeit.

5.7. Abschließende Überprüfung des gesamten Prozesses:
Der gesamte Prozess wird abschließend überprüft, um sicherzustellen, dass alle Schritte korrekt durchgeführt wurden. Diese Überprüfung hilft, Fehler zu identifizieren und die Qualität der Arbeit zu sichern.

Wie wird ein Schraubennachweis durchgeführt

1.1 Hintergrund und Motivation
Schraubenverbindungen sind essenziell für die Konstruktion und den Betrieb vieler technischer Systeme. Ihre Zuverlässigkeit und Festigkeit sind entscheidend für die Sicherheit und Funktionalität. In den letzten Jahren hat die Komplexität von Schraubenkonstruktionen zugenommen, was eine präzise Analyse erfordert. Hier seien vor allem Windkraftanlagen erwähnt. Die Anwendung moderner Berechnungsmethoden, wie der Finite-Elemente-Methode (FEM), bietet hierbei neue Möglichkeiten für eine effiziente und sichere Auslegung von Schrauben. Der Blog-Eintrag erläutert wie ein Schraubennachweis nach Norm (VDI2230) durchzuführen ist und wie eine Finite-Elemente-Analyse dabei genutzt werden kann.

1.2 Zielsetzung des Schraubennachweises
Ziel des Schraubennachweises ist es, die Festigkeit und Sicherheit von Schraubenverbindungen nachzuweisen. Hierzu gehören die statische und zyklische (Lebensdauer) Festigkeit der Schraube selbst, aber auch die Einschraubtiefe im Flansch oder der Mutter und die Festigkeit der Verbindung im Flanschbereich. Ein erfolgreicher Nachweis trägt zur Vermeidung von Versagen der Flanschverbindung und möglichweise der gesamten Konstruktion bei (Nabenabriss). Neben dem klassischen Schraubennachweis unter statischen und zyklischen Lasten kann auch die Betrachtung unter schlagartigen Belastungen im Crash-Fall oder bei einer Berstsimulation relevant sein.

Der Blog-Eintrag wird fortgesetzt.